Gastbeitrag von Dr. Beate Wende, Wildlebensraumberatung Weinbau, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau

Biodiversität ist derzeit ein vielgehörtes und -gelesenes Wort. Die Appelle die Biodiversität zu schützen werden lauter und dringlicher.

Der Begriff „Biodiversität“ ist noch relativ jung. Im Jahr 1986 fiel er das erste Mal im US National Research Council (als biological diversity; abgekürzt dann BioDiversity). Doch was bedeutet Biodiversität nun eigentlich genau? Oftmals wird der Begriff mit Artenvielfalt gleichgesetzt. Doch dies ist nur ein Viertel der Wahrheit. Die offizielle Definition gemäß der UN-Biodiversitätskonvention (CDB) lautet: „die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten sowie die Vielfalt der Ökosysteme“.

Ah ja, nun ist doch alles klar, oder? Ich drösel dieses Satzungetüm mal auf: die Variabilität unter den lebenden Organismen bezieht sich auf die genetische Vielfalt. Dies bedeutet, dass wenn Herr und Frau Mustermann ein Kind bekommen, dieses bei der schmale Nasenform Frau Mustermann ähnelt, jedoch bei der Haarfarbe Herrn Mustermann. Wenn nun die Ohrenform verblüffend derer des Paketzustellers gleicht …ist die Haarfarbe vermutlich nicht auf Herrn Mustermann zurückzuführen. Kurz gesagt, die genetische Variabilität bedeutet, dass wir nicht die exakten Kopien unserer Eltern sind, sondern „Mischungen“ des genetischen Materials. Und dies trifft auf alle Lebewesen zu, die sich miteinander fortpflanzen und dabei ihre Gene fröhlich miteinander durchmischen. Aus dieser Mischungsvielfalt können dann neue Merkmale und Eigenschaften entstehen. So sind z.B. viele Hunderassen mit ihrem unterschiedlichen Aussehen entstanden (hier natürlich mittels der selektiven Auswahl der Hundepartner durch die Züchter).

Der Ausdruck „alle lebenden Organismen jeglicher Herkunft“ bezieht sich auf die  Artenvielfalt und meint damit die Anzahl der verschiedenen Tier- und Pflanzenarten, die auf und in der Erde sowie im Wasser herumkrabbeln, -kriechen, -schwimmen, -fliegen- und -wachsen und dabei ihre ganz spezielle Rolle ausfüllen – sei es als Bestäuber, Bodenaufbereiter, Aasfresser, Zersetzer,… .

Ökosysteme und ökologische Komplexe sind wiederum zwei Fachbegriffe, die etwas Erklärung bedürfen. Damit sind schlicht die Lebensräume auf der Erde und im Wasser mit ihren unterschiedlichen Merkmalen gemeint, wie z.B. der tropische Regenwald, Wüsten, Süßwasserseen oder die Tundra. Jedes Ökosystem zeichnet sich durch ein besonderes Zusammenspiel von Faktoren wie Niederschlagsmenge, Sonneneinstrahlung, pH-Wert der Böden etc. aus und bedingen dadurch die Lebewesen, die in ihnen vorkommen. Eine Forelle ist auf die Eigenschaften „ihres“ Ökosystems der klaren schnell fließenden Bäche angepasst und kommt mit brackigen Wasserverhältnissen nicht zurecht – geschweige denn im tropischen Regenwald…

Und hier hätten wir wieder ein Puzzleteil der Biodiversität: die Vielfalt an Ökosystemen mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften, die dadurch komplett verschiedene Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Dabei müssen Ökosysteme nicht groß sein – auch magere Sandwiesen oder ein Totholzbaum sind eigene Ökosysteme mit einer speziellen Artenzusammensetzung ihrer Bewohner.

Der vierte Teilbereich des Biodiversitäts-Begriffs umfasst die unzähligen Verbindungen der Lebewesen und ihrer Lebensräume untereinander. Wir leben ja nicht in abgeschlossenen Blasen (auch wenn man das zurzeit meinen könnte) sondern interagieren auf unzählige Weise mit unserer Umwelt. Bei den Tieren und Pflanzen kann man dies mit den Fragen „wer frisst was oder wen“, „welche Tiere bestäuben welche Pflanze“, „wer bewohnt (nacheinander) die gleiche Baumhöhle“ usw. umschreiben.

Nochmals kurz zusammengefasst: der Begriff Biodiversität umfasst 4 Teilbereiche: Die genetische Vielfalt der Organismen, die Artenvielfalt der Tiere und Pflanzen, die Vielfalt an unterschiedlichen Lebensräumen sowie die Vielzahl an Interaktionen der Bewohner der Lebensräume untereinander und mit ihrer Umwelt. Damit ist auch eines klar: nimmt die Lebensraumvielfalt (im kleinen wie im großen Maßstab) ab, verringert sich auch die Artenvielfalt sowie die genetische Vielfalt. Daher gilt es soviel an unterschiedlichen Lebensräumen zu erhalten wie möglich (im Garten ebenso wie die Regenwälder). Auch im Weinbau sind biodiversitätssteigernde Maßnahmen in der Diskussion.